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"Das schönste Schulhaus der Stadt" feiert 100. Geburtstag

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Raymund Praschak zweifelt keinen Moment: "Für mich ist der Obere Graben das schönste Schulgebäude der Stadt Leutkirch." Voller Stolz zeigt der kommissarische Schulleiter auf die zahlreichen Malereien an den Wänden und über den Türen zu den Klassenzimmern (damals -1912 - gemalt von Oswald Bischoff), auf die in Stein gehauenen Tierfiguren im Treppenhaus (von Steinmetz Aloys Joser) und die ovalen Fensteröffnungen. "Ein klassisches Jugendstilgebäude, streng geometrisch gegliedert, mit Stuckdecken und den typischen Zierelementen", sagt Praschak, errichtet von Baumeister Wilhelm Saleth nach dem Vorbild der Schule in Donaueschingen.

Ein Haus mit Atmosphäre

Das schoenste Schulhaus Tuerklinke
"Ein Haus, dessen Atmosphäre auch von den Besuchern sofort wahrgenommen und geschätzt wird." Und das stattliche Gebäude, angelehnt an den Hang der Wilhelmshöhe, hat ja durchaus was: Fast wie ein Stadtschloss thront es über der Stadt Leutkirch, weit reicht der Blick bis hinaus in die Leutkircher Haid. Am 15. Oktober 1912 ist es eingeweiht worden von Bürgern, die das stolze Gefühl hatten: "Man ist wer", wie Rektor Praschak sagt.
Nun also feiert es seinen 100. Geburtstag, das Schulhaus am Oberen Graben. Mit einem Festakt am kommenden Freitag, offenen Schultüren am Samstag und mit zahlreichen Blicken zurück in die Vergangenheit.

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Dabei wird deutlich, welch ein Freudentag es für Leutkirch war, als das neue Volksschulgebäude zu Beginn des Winterhalbjahres 1912 eingeweiht wurde und damit eine Zeit "quetschnender Enge" für Schüler und Lehrer zu Ende ging. "Schulverhältnisse waren hier bis dahin nicht einer Stadtgemeinde mit sehr guten Finanzverhältnissen entsprechend", ist in der örtlichen Zeitung noch 1937, zum 25-Jahr-Jubiläum, zu lesen.
Und tatsächlich waren vor 1912 drei katholische Schulen und die Lateinschule zunächst im Alten Kloster und dann im sogenannten "Neubau", dem alten Zunfthaus der Weber in der Schneegasse, untergebracht. Drangvoll eng war es dort, "Schülerzahlen zwischen 90 und 100", wie es in dem Artikel weiter heißt.

Es war eine Erlösung

Das schoenste Schulhaus Treppenhaus
Kein Wunder also, dass die Räume in der neuen Schule geradezu als "Erlösung" empfunden wurden. Helle hohe Räume, der freie Blick übers Land, liebevoll ausgestaltete Schmuckelemente in den Gängen. "Ein vorbildliches, modernes Schulhaus, das bis heute noch nicht veraltet ist", stellt der damalige Stadtarchivar Emil Vogler noch in den 1960er-Jahren fest. Ein Schulhaus, dessen zwei Generationen von Schülern in Erinnerung geblieben sind:

Einer für evangelische, einer für katholische Schüler, erinnern sich die einen. Einer zum Auf-, einen zum Abgang, sagen die anderen.
Fest steht: Katholische und evangelische Volksschüler waren in den Klassenzimmern der damaligen Bekenntnisschule räumlich stren voneinander getrennt - sogar in verschiedenen Stockwerken. Und es gab jeweils zwei Rektoren am Oberen Graben, einen katholischen und einen evangelischen.

Zur Tarnung grün angestrichen

Die Zeit hat freilich auch vor dem eindrucksvollen Schulhaus nicht halt gemacht: Während des ersten Weltkriegs kamen viele Kinder hungrig zur Schule und wurden, anstelle des Unterrichts, zum "Hamstern" auf die Dörfer geschickt, wie es in der Chronik heißt. Zwischen 1933 und 1945 durften Lehrer, die das Naziregime ablehnten, nicht mehr unterrichten, Kreuze wurden aus den Klassenzimmern entfernt. Zur Tarnung vor Luftangriffen wurde das Schulhaus grün angestrichen.
Während des Krieges diente das Haus dem Militär als Lazarett, der Unterricht wurde während dieser Zeit in verschiedenen Leutkircher Gastwirtschaften abgehalten. Aufgrund des dramatischen Lehrermangels nach dem Krieg mussten wiederum Klassen mit 70, 80, ja bis zu 90 Kindern gebildet werden.
Die Fertigstellung der neuen Volksschule am Ringweg (heute Förderschule Don Bosco) brachte auch Veränderungen für die Schule am Oberen Graben mit sich: Aus der Volksschule wurde eine reine Grundschule - und das ist sie bis heute geblieben - mit zehn Regelklassen und einer Förderklasse.

Liebevoll renoviert

Das schoenste Schulhaus Treppenaufgang
Immer wieder wurde das Gebäude renoviert, in den 60er-Jahren kamen Turnhalle und Lehrschwimmbecken hinzu, Ender der 70er-Jahre stand eine Generalsanierung an, und Böden, Heizung, Fenster und der Anstrich wurde erneuert.
Ansonsten, sagt Rektor Praschak, waren immer wieder interne Veränderungen und Umbaumaßnahmen nötig, die "liebevoll" vorgenommen worden seien.
Am Wochenende (26. und 27. 10. 2012) nun wird der 100. Geburtdstag des Hauses gefeiert. "Es ist ein Hausjubiläum, das muss man zelebrieren", findet Raymund Praschak. Und so gibt es neben den Festivitäten in der Schule noch ein ganz besonderes Präsent: Das Gebäude am Oberen Graben wird künftig nachts angestrahlt. Der städtische Bauhof hat die Leuchten bereits installiert.
Schwäbische Zeitung vom 23.10.12 von Sabine Centner / Bilder: Bruno Kickner

Alle Bilder von Bruno Kickner / www.kickner.de
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